Bericht 30 (DECT, WLAN, Mobilfunk)

18.07.2008

Krankengeschichte Elektrosensibilität

Mein Name ist X, ich bin 39 Jahre alt und arbeite als Dipl.-Ing. (FH) der Elektrotechnik/Telekommunikation bei Y.

Mein Leidensweg begann im Oktober 2006. Ich arbeite seit 1999 in der Region meines Arbeitgebers und wechselte auf Grund besserer Entwicklungsmöglichkeiten in die Zentrale. Damals wusste ich noch nichts von Elektrosensibilität und hatte noch nie vorher deren Symptome. Ich bemerkte aber, dass seit meinem Wechsel in die Zentrale meine Konzentrationsfähigkeit während meiner Arbeit sehr zu wünschen übrig ließ und ich mich ständig müde und benommen fühlte. Auch meine sonst so gut entwickelten mentalen Fähigkeiten, wie logisches Denken, Lernfähigkeit und schnelle Schlussfolgerungen ziehen, waren sehr stark in Mitleidenschaft gezogen. Im Laufe der nächsten Wochen kamen hohe Infektanfälligkeit (alle zwei Wochen grippale Infekte), starker Schwindel, Verwirrtheit, Kopfschmerzen, Übelkeit, Gewichtsabnahme, Hitzegefühl im Augenbereich, rote Augenränder, Zwang zum ständigen Gesichtsmuskelzucken/Augenblinzeln und neurologische Störungen (Taubheitsgefühle und Kribbeln an Händen und Füßen, regelrechte Stromschläge in den Nervenbahnen meiner Arme und Beine bei kleinsten Bewegungen) hinzu. Aber dem nicht genug. Nach ca. zwei Monaten konnte ich plötzlich nicht mehr richtig fokussieren, was meine Arbeit am Bildschirm stark beeinträchtigte. Begleitend hierzu eine Sehnervreizung. Dies kann man sich so vorstellen, wie ein ungeschützter Blick in die Sonne, nur halt dauerhaft.

Aber auch zu Hause merkte ich keine Besserung. Ich konnte nachts nicht mehr schlafen, dazu diese innere Unruhe und ein Gefühl, irgendwie ständig elektrostatisch aufgeladen zu sein und dieses merkwürdige Kribbeln im ganzen Körper. Dazu die ständig hämmernden Kopfschmerzen und die permanente, unangenehme Sehnervreizung, so dass ich dachte, ich hätte einen riesigen Tumor im Kopf! Außerdem wurde ich immer kraftloser, antriebsloser und lethargischer. Ich hatte einfach keine Kraft und keinen Lebenswillen mehr!

Das ließ ich natürlich untersuchen. Ich ging 2006/2007, überwiesen von meinem damaligen Hausarzt Dr. Z., zu verschiedenen Ärzten nach M., wie dem Augenarzt Dr. L. und dem Neurologen Dr. R. Dieser ordnete eine MRT an, die eine MS oder einen Tumor ausschloss, anschließend folgte eine 3-tägige Kortisonbehandlung, dann Vorschlag Psychopharmaka, die mein Hausarzt betreute, allerdings ohne Erfolg. Gleichzeitig überwies er mich zur Augenklinik in M. (Dr. A./Dr. C.). Aber ganz gleich, welche Anstrengungen ich unternahm, die Ursache meiner Beschwerden konnte nicht gefunden werden. Der Neurologe war ratlos. Die Augenärzte rieten mir zu weiteren, aufwendigen Untersuchungen (Gesichtsfeld, Augendruck, Netzhaut, Sehtests) und zur Lesebrille, die mir aber nichts brachte. Ich konnte immer schlechter sehen, da ich das gesehene Bild mehrfach versetzt und überlagert wahrnahm. So konnte ich nicht mehr fokussieren und sah alles verschwommen. Mein damaliger Hausarzt konnte keinen Zusammenhang zum Elektrosmog erkennen und war ebenfalls ratlos.

Da mir die Ärzte nicht weiterhelfen konnten, sich meine Beschwerden aber von Tag zu Tag verschlechterten, kam ich, auch bedingt durch meinen Beruf und eine Veranstaltung von einer unabhängigen Verbraucherschutzorganisation, auf einen Verdacht, was meine Symptome auslösen könnte. Da ich selbst aber keine kabellosen Anwendungen zu Hause hatte, sah ich darin erst mal nicht wirklich die Ursache meiner Beschwerden.

In dieser Zeit besuchte mich zu Hause ein Freund und Ex-Kommilitone, der bei Siemens arbeitet und WLAN-Netzwerke aufbaut. Er führte mit seinem Laptop eine Messung durch und stellte 20 WLAN access points in meiner näheren Umgebung fest. Einige davon strahlten dabei so stark, dass sie sich in unmittelbarer Nähe zu meiner Wohnung befinden mussten. Dazu sollte man wissen, dass ich damals in einem Wohn- und Einkaufszentrum mit über 70 Parteien wohnte. Zusätzlich zu dieser Belastung gesellten sich noch zahllose DECT-Telefone direkter Nachbarn hinzu, wie ich aus Gesprächen erfahren hatte. Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung, dass ich durch die Wände hindurch so massiv bestrahlt wurde, dass bei mir in der Wohnung vorzüglicher WLAN- und DECT-Empfang vorherrschte!
Dann war mir auf einmal alles klar. Ich konnte glücklicherweise Mitte 2007 kurzfristig in eine Wohnung mit weniger DECT- und WLAN-Strahlenbelastung umziehen und siehe da, meine Beschwerden wurden besser.

Die gesundheitlichen Probleme zeigten sich allerdings immer noch am Arbeitsplatz. Jedes Mal, wenn ich arbeiten ging, traten meine Beschwerden wieder massiv auf; wenn ich zu Hause war, ging es mir wieder besser. Der Erholungsprozess dauerte dabei immer länger. Wobei die Beschwerden bei Bestrahlung am Arbeitsplatz immer stärker, schneller und heftiger auftraten, ich also immer sensibler wurde.

Ende 2007 wechselte ich zu einer Hausärztin, die einen Zusammenhang zwischen Elektrosmog und meinen Beschwerden sah. Ich bin nun seit mehreren monatlichen Arbeitsunfähigkeiten in 2007 seit Anfang des Jahres 2008 dauerhaft krank geschrieben und beziehe seit 04.03.2007 Krankengeld. Meine Ärztin Dr. S. stellte mir Ende 2007 ein Attest für meinen Arbeitgeber aus, in dem sie auf den Zusammenhang zwischen HF-Elektrosmog und meinen Beschwerden hinwies und um Reduzierung oder Abschirmung der elektromagnetischen Wellen am Arbeitsplatz bat. Von Arbeitgeberseite wurden darauf hin Messungen durchgeführt. An meinem Arbeitsplatz wurden WLAN-, GSM-R-, GSM- und DVB-T-Belastungen gemessen. Ein Umzug meines Arbeitsplatzes aus organisatorischen Gründen im Juni 2008 ergibt eine neue Strahlensituation, in der WLAN (-59 dBm) eine Rolle spielt. Einen erneuten Arbeitsversuch konnte ich bisher leider noch nicht starten, da ich zurzeit gesundheitlich dazu nicht in der Lage bin. Meine Firma sieht derzeit keinen Handlungsbedarf für Strahlenschutz am Arbeitsplatz, da die Grenzwerte eingehalten werden.

Meine Elektrosensibilität schreitet derzeit weiter voran. Genannte Befindlichkeitsstörungen wie Gewichtsabnahme, Erschöpfung, Kraftlosigkeit, Übelkeit, Schwindel, Benommenheit, Konzentrations- und Sehstörungen zeigen sich neuestens auch verstärkt zu Hause und zusätzlich bei niederfrequenter Exposition (50 Hz). Richtige Erholung kann ich momentan nur noch in mobilfunktechnisch weniger belasteten Naturgebieten, wie z.B. im Wald finden. Übernachtungsversuche dort zeigen eine wesentliche Besserung.

Mein Leben wird folglich immer schwieriger, da durch die rein wirtschaftsorientierte Grenzwertfestsetzung unseres Gesetzgebers meine Existenz zunehmend bedroht wird. Die kabellosen Kommunikationstechniken haben an nahezu jedem Arbeitsplatz in Deutschland Einzug gehalten. WLAN, Bluetooth & Co. boomen mittlerweile so kräftig, dass diese Techniken nicht nur zu Hause, in Kneipen, Restaurants, Geschäften, Hotels, Verkehrsmitteln, Bahnhöfen oder Krankenhäusern(!), sondern auch an vielen öffentlichen Plätzen (sog. Hotspots) wie Innenstädte oder Sehenswürdigkeiten aufgebaut werden.
Zusammen mit den anderen digitalen Mobilfunkanwendungen, wie UMTS, GSM, BOS, WiMAX, DVB-T, usw. ist die Gesundheitsbelastung des menschlichen Körpers durch diese Techniken schon heute überschritten. Dies zeigt der Anstieg elektrosensibler Menschen in Deutschland (siehe z.B. Ärzteinitiative Bamberg, Frau Dr. Waldmann-Selsam).

Durch die jetzige Rechtslage haben Elektrosensible keine Handhabe gegen die Konsequenzen, die sich durch das kabellose Aufrüsten der Nachbarn und der Netzbetreiber ergeben. Die gesundheitlichen Auswirkungen führen unweigerlich zum wirtschaftlichen Bankrott, denn die sozialen Netze werden ausgehebelt. Die Bevölkerung wird durch die gebetsmühlenartige Wiederholung der Ungefährlichkeit dieser Techniken weiterhin über die gesundheitlichen Gefahren in Unwissenheit gelassen. So werden Warnhinweise besorgter oder betroffener Menschen oft belächelt oder sie werden psychiatrisiert. Dabei sprechen die Milliardenumsätze der Mobilfunkindustrie ein klares Wort.