Kompetenzinitiative zum Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratie
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Ärztlicher Qualitätszirkel
"Elektromagnetische Felder in der Medizin, Diagnostik, Therapie, Umwelt"
anerkannt von der Bayerischen Landesärztekammer Nr. 65143
Dr. med. Cornelia Waldmann-Selsam, Bamberg

Offener Brief

Bamberg, den 31.05.2007

An den Vorsitzenden der Strahlenschutzkommission
Prof. Dr. W.-U. Müller
c/o Universitätsklinikum Essen
Institut für Medizinische Strahlenbiologie
Hufelandstr. 55
45122 Essen

Fundierter Verdacht auf Gesundheitsschäden durch Hochfrequenzexposition bei einer Vielzahl von Menschen weit unterhalb der gültigen Grenzwerte
Sofortige Vorortuntersuchungen geboten wegen Gefahr im Verzug

Sehr geehrter Herr Professor Müller,

gestatten Sie, dass wir uns im Namen vieler Kollegen direkt an Sie wenden.

Sämtliche Landes- und Bundesbehörden berufen sich auf die Stellungnahme der SSK aus dem Jahr 2001 und bleiben untätig trotz einer Vielzahl von ärztlichen Mitteilungen über Krankheitshäufungen im Umkreis von Mobilfunksendern.

Ab Anfang der 90er Jahre wurden vermehrt Mobilfunk- und Richtfunkanlagen errichtet und in Betrieb genommen. Heute besteht ein dichtes Mobilfunknetz in ganz Deutschland.

Ab 1994 beobachteten niedergelassene Ärzte Krankheitshäufungen an Standorten und teilten dies den zuständigen Behörden mit.

Bis zum Jahr 2000 hatten sich mehrere Hundert Betroffene hilfesuchend an das Bundesumweltministerium und das Bundesamt für Strahlenschutz gewandt (mündliche Aussage von Dr. A. Böttger anlässlich der Verbändeanhörung im BMU am 10.05.2000 in Bonn).

Wurde die SSK über diese Situation informiert?

Als Beispiel sei Familie B. (Kasuistik Nr. 02) genannt, die 1999 schlagartig erkrankte. Der behandelnde Arzt hatte in der Stellungnahme geschrieben:

"Jeder einzelne Befund wäre möglicherweise nicht beweisend für eine ursächliche Wirkung der gepulsten Hochfrequenzstrahlung. In der Gesamtschau lässt sich jedoch eine gesundheitsschädigende Wirkung der Hochfrequenzstrahlung, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, annehmen."

Keine Behörde und kein Umweltmediziner versuchten diesen Fall zu klären.

Es liegen viele derartige Fälle (auch Frühberentungen) vor, in welchen ein sicherer Kausalzusammenhang zwischen HF-Exposition und Erkrankung vorliegt.

In der Mitte der neunziger Jahre kamen Telefone mit DECT-Standard auf den Markt. Der Standard wurde zugelassen, obwohl es keine Studien über die Auswirkung auf dauerexponierte Nutzer (vom Säugling bis zum kranken Menschen) gibt. Auf eine Anfrage teilte das Landesamt für Umwelt (LfU) Bayern am 12.08.2004 mit:

"Wie besprochen erhalten Sie anbei Informationen zu DECT-Telefonen und zu wissenschaftlichen Arbeiten zur Wirkung von elektromagnetischen Feldern. Speziell nur auf DECT-Telefone zugeschnittene Untersuchungen sind uns nicht bekannt."

In der Empfehlung der Strahlenschutzkommission vom Jahr 2001 heißt es: "Die SSK kommt zu dem Schluss, dass auch nach Bewertung der neueren wissenschaftlichen Literatur keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse im Hinblick auf nachgewiesene Gesundheitsbeeinträchtigungen vorliegen, die Zweifel an der wissenschaftlichen Bewertung aufkommen lassen, die den Schutzkonzepten der ICNIRP bzw. der EU-Ratsempfehlung zugrunde liegt."

Wir können diese Aussage nicht nachvollziehen. Wie konnte sich diese Stellungnahme auf Auswertung von Studien gründen, wenn die entscheidende Fragestellung - mögliche Auswirkungen einer Dauerexposition mit gepulsten hochfrequenten elektromagnetischen Feldern - gar nicht Gegenstand von Studien war?

Ab 2001 wurden einzelne epidemiologische Untersuchungen veröffentlicht: SANTINI, R. ET AL. (2001,2002,2003); HUTTER, H-P., MOSHAMMER, H., KUNDI, K. (2002); NAVARRO, E.A., ET AL. (2003); OBERFELD, G. ET AL. (2004); HUTTER, H-P., MOSHAMMER, H., WALLNER, P., KUNDI, M. (2006); ABDEL-ASSOUL, G. ET AL. (2006). Diese Untersuchungen beobachteten das gehäufte Auftreten von Krankheitssymptomen bei dauerexponierten Menschen.

Zwei Studien (EGER, H., HAGEN, K.U., LUCA, B., VOGEL, P., VOITH, H. (2004); WOLF R., WOLF D., 2004) zeigen Hinweise auf eine erhöhte Krebsinzidenz. Von Dr. J. Walker, England, wurden sieben Tumorcluster gefunden, wobei es bereits zu Mastabschaltung kam (u.a. Zeitungsbericht in The Sunday Times vom 22.04.2007).

Die Vielzahl der zum Teil sehr detailliert und schlüssig vorliegenden Fallberichte in Zusammenschau mit den oben angeführten epidemiologischen Untersuchungen stellen damit die Schutzeignung der aktuellen thermisch basierten Grenzwerte in Frage.

Im Dezember 2005 wandte sich der Ärztliche Qualitätszirkel an Bundesminister Herrn Gabriel mit der dringenden Bitte Vorortuntersuchungen zu veranlassen. Anlässlich eines Fachgesprächs am 02.08.2006 im Bundesamt für Strahlenschutz wurden Unterlagen über viele Mobilfunkgeschädigte übergeben und die Bitte wiederholt. Seit März 2007 liegen auch ausführliche umweltmedizinische Kasuistiken vor. Trotzdem veranlassten das Bundesamt für Strahlenschutz und das Bundesumweltministerium nicht die notwendigen Vorortuntersuchungen. Der alleinige Verweis auf das Deutsche Mobilfunk-Forschungsprogramm ist weder statthaft noch ärztlich vertretbar.

Am 16.05.2007 sind per Einschreiben 10 umweltmedizinische Fallbeschreibungen an Sie abgesandt worden. Diesen Kasuistiken können Sie entnehmen, wie ernst die Lage für viele Menschen ist. Aus ärztlicher Sicht ist sofortiges Handeln geboten.

Der schwerwiegende Verdacht bedarf umgehender Klärung durch Vorortuntersuchungen.

Daher bitten wir Sie, dies unverzüglich unter Hinzuziehung von Ärzten verschiedener Fachrichtungen zu veranlassen. Physiker, Biologen und Techniker haben nicht die notwendige Fachkompetenz, um Erkrankungen von Menschen zu beurteilen. Wir sind zu jeglicher Mithilfe bereit.

In äußerster Sorge

Dr. med. Horst Eger
Dr. med. Cornelia Waldmann-Selsam
Prof. Dr. med. Karl Hecht
Dr. med. Markus Kern
Dr. med. Hans-C. Scheiner

Anlagen: Schreiben des Qualitätszirkels vom 07.12.2005


Prof. Dr. Müller antwortete am 03.06.2007:
"(...) Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass die SSK nur das Umweltministerium berät, nicht jedoch die Öffentlichkeit. Die richtige Adresse für Ihre Anfrage ist also das BMU. Dort wird dann entschieden, ob die SSK um eine Stellungnahme gebeten wird oder nicht.
Trotzdem vielen Dank für die übermittelten Informationen."