Bericht 5 (DECT): Gedanken und Anregungen zum Thema "Mobile Kommunikation und Gesundheit"

Edith Steiner-Rüedi

Ein Erlebnisbericht: Plötzlich aufgetretene "funktionelle Beschwerden", die Feststellung einer hohen Belastung mit gepulster Hochfrequenzstrahlung und das prompte Verschwinden der Symptome nach Beseitigung der Strahlenbelastung geben Anlass zu Gedanken zum kontroversen Thema Elektrosmog aus der Sicht einer Ärztin. Ist Elektrosmog für die Schulmedizin ein Thema, und warum eigentlich nicht? - Ein Appell an die Ärzteschaft, sich vermehrt ernsthaft mit der potentiell krank machenden Wirkung von Hochfrequenzstrahlung auseinanderzusetzen.

Vor fünf Jahren bezog ich mit meiner Familie ein älteres Einfamilienhaus. Nachdem ich mich in den ersten zwei Monaten sehr wohl gefühlt hatte, überkam mich praktisch über Nacht eine gedrückte Grundstimmung. Allmählich kamen weitere Symptome hinzu: Tagesmüdigkeit, Konzentrationsstörungen, innere Unruhe, verminderte Belastbarkeit, Reizbarkeit, Kopf- und Nackenschmerzen und Infektanfälligkeit. Ich entwickelte eine Abneigung gegen das Haus und machte mich mit der Matratze unter dem Arm auf die Suche nach geeigneten Schlafstellen. Ich förderte die Bettwarenbranche, indem ich diverse Kopfkissen und sogar ein neues Bett kaufte. Ich optimierte meine Lebensgewohnheiten - allerdings vergebens. Die Monate vergingen, der Zustand setzte sich fest. Die "Ärztin" in mir beschrieb die Krankheit als depressives Zustandsbild mit funktionellen Beschwerden. Mein Erfahrungswissen und mein Gefühl führten mich schließlich nicht zum Psychiater, sondern zu einem Baubiologen. Dieser fand im Haus eine nicht tolerierbare Belastung durch gepulste Hochfrequenzstrahlung. Die hauptsächliche Immissionsquelle war eine Schnurlostelefonanlage nach dem DECT-Standard, die wir zwei Monate nach Bezug des Hauses installiert hatten. Die Immission durch die DECT-Anlage wurde durch ein einfaches Ausstecken der Telefonanlage behoben. Meine depressive Grundstimmung verschwand, wie sie gekommen war, nämlich über Nacht! Die übrigen Beschwerden waren innert weniger Wochen ebenfalls weg. In der Ferienwohnung in den Bergen "rezidivierte" das Beschwerdebild. Deshalb begann ich auch hier nach einer möglichen Immissionsquelle zu suchen. Meine Beschwerden zeigten eine deutliche Assoziation mit der Belegung der Wohnung unter uns. War die untere Wohnung nicht belegt oder durch Untermieter besetzt, ging es mir gut. War der Besitzer selber in der Wohnung, stellten sich die genannten Symptome wieder ein. Ich fasste Mut und ging zum Nachbarn in der unteren Wohnung. Tja, meinte er, wenn er Untermieter habe, sei das gewöhnliche Analogtelefon mit eingebautem Gebührenzähler in Betrieb; wenn er selbst in der Wohnung sei, nehme er seine Schnurlostelefonanlage aus dem Schrank und installiere die Basisstation in seinem Schlafzimmer auf dem Nachttisch - in einer Entfernung von etwa 2 m unter meinem Bett...

Mein gesunder Menschenverstand sagt, wenn dir etwas schadet, dann meide es. Was meint jetzt die Medizinerin in mir zu der fraglichen Unverträglichkeit einer Schnurlostelefonanlage? Der Zusammenhang meiner Beschwerden mit gepulster Hochfrequenzstrahlung und die Möglichkeit einer kausalen Verknüpfung weckten mein fachliches Interesse. Im Internet fand ich abendfüllende Informationen zum Thema Elektrosmog und Gesundheit aus der Warte ganz verschiedener Interessengruppen, von Betroffenen selber über Umweltvereinigungen und wissenschaftliche Experten bis hin zu Behörden. Ich wandte mich mit der Frage nach eventuellem Weiterbildungsangebot zum Thema Gesundheit und Elektrosmog an das FMH-Zentralsekretariat in Bern und gelangte so an die Vereinigung Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz.

Nichtswissend mache ich also die persönliche Erfahrung, dass ich gepulste Hochfrequenzstrahlung schlecht ertrage. Dann erfahre ich, dass die Frage nach einer möglichen gesundheitsschädigenden Wirkung von gepulster Hochfrequenzstrahlung im Niedrigdosisbereich schon seit Jahren ein kontroverses Diskussionsthema von Forschung und Politik ist.

Als Medizinerin und Betroffene kann ich weitere Forschung und einen vorsorgeorientierten Umgang mit nichtionisierender Strahlung natürlich nur bejahen. Als Betroffene kann ich ein leichtes Unbehagen nicht verleugnen. Das Verhältnis zwischen zu erforschendem Menschen und erkenntnisschaffender Methode ist verzerrt. Manchmal macht es den Anschein, dass die Methode den Menschen, sowohl den Arzt als auch den Patienten, beherrscht. Aber Medizin kann keine nüchterne Naturwissenschaft sein. Medizin ist lebendig und lebensnah.

Schon als Assistentin habe ich den Brückenschlag zwischen Erfahrungswissen und aktuellem Wissensstand häufig vermisst. Eine genaue Anamneseerhebung und umfassende Beurteilung des einzelnen Kranken ist auch heute nicht nur von fallspezifischem Nutzen, sondern auch im Hinblick auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse. Medizinische Datenbanken, wo Ärzte Beobachtungen, Erfahrungswissen und Ungereimtheiten unbürokratisch an Wissenschaftler weitergeben könnten, wären heute technisch einfach und kostengünstig zu realisieren. Das gezielte Sammeln und Auswerten von Daten aus der realen Welt - medizinischer Alltag - könnte Wertvolles leisten bei der wissenschaftlichen Konzeption epidemiologischer Studien. Die Idee der evidenzbasierten Medizin ließe sich ausweiten zur Erforschung potentiell krank machender und gesundheitsfördernder Faktoren.

Die Ärzteschaft im neuen Jahrtausend ist gefordert. Wirtschaftswachstum und Wohlstand fordern ihren Preis. Das krank machende Potential ist eventuell größer als vermutet. Hierfür ist das Thema Elektrosmog und Gesundheit ein gutes Beispiel. Durch das vermehrte Wiedereinbinden von realer Umwelt und Erfahrungswissen in die Forschung könnte die Medizin leichter dem Wohl des einzelnen Patienten und der Bevölkerung dienen.

Korrespondenz:
Dr.med. Edith Steiner-Rüedi
Friedbergstr. 32
CH-8200 Schaffhausen