Bericht 17 (DECT)

Erfahrungen mit dem DECT-Telefon

Im Herbst 2004 begann ich an diversen unklaren, vegetativen Symptomen zu leiden: Erschöpfungszustände, Durchfälle, dazu anfallsweise auftretende Blutdruckkrisen, Symptome, die durchaus aufgrunde eines länger dauernden Stresszustandes auftreten können.
Das erste Mal konsultierte ich einen internistischen Kollegen Ende September in einem derartigen "Anfall". Wenn ich schildern darf, was ich fühlte, waren das v.a. massive Angstgefühle, der Eindruck, nicht klar denken zu können; aufgrund des Druckgefühls im Brustkorb dachte ich an einen Herzinfarkt und ich hatte wirklich Angst, nun tot umfallen zu müssen. Der Blutdruck schnellte auf 160/90 hoch (normalerweise habe ich eher einen niedrigen Blutdruck), begleitend stellten sich Durchfall und Muskelzittern, ähnlich einem Schüttelfrost, ein. Diese Angstzustände besserten sich zunächst spontan nach ca. 30 Minuten.
Diagnostisch wurden keine krankhaften Befunde erhoben. Diese Anfälle, bevorzugt in den späten Abendstunden und nachts, häuften sich jedoch, sie wurden auch immer länger; außerdem nahm der Blutdruck im Anfall immer höhere Werte an (aus völliger Ruhe heraus bis 180/110). Ich begann eine Blutdruckmedikation. Gleichzeitig wurde ich auf das "Phäochromozytom" hin untersucht (meist gutartiger Nebennierenrindentumor, der anfallsartig "Stresshormone" ausschüttet und insofern durch Blutdruckkrisen auffällt). Das Ergebnis war negativ.
In der letzten Oktoberwoche traten wiederum oben besagte "Zustände" auf, heftiger als je zuvor. Nachts konnte ich nicht mehr schlafen. Ich hatte aufgrund der Durchfälle 2 kg in einer Woche abgenommen, die Erschöpfungszustände verstärkten sich immer mehr. Teilweise schüttelte es mich am ganzen Körper. Nach drei Nächten, in denen ich wirklich kein Auge zugetan hatte, war ich am Ende meiner Kräfte und, mit Rücksprache mit meinem Internisten ("ich mache mir ernsthafte Sorgen, vielleicht steckt irgendetwas Seltenes dahinter") ging ich freiwillig in die Klinik nach Nürnberg.
Umfangreiche Untersuchungen erbrachten wiederum keine auffälligen Befunde; der Blutdruck, über 48 Stunden gemessen, befand sich durchweg im Normalbereich, was für mich völlig unerklärlich war.

Selbstverständlich beginnt frau dann an sich selbst zu zweifeln; eine psychische Ursache, zumindest mit verantwortlich, erschien mir naheliegend. Ich begann also entsprechend den Empfehlungen mit Entspannungsübungen, außerdem mit einer leichten Hormonbehandlung unter der Vorstellung, dass dies evtl. etwas ungewöhnliche Wechseljahreserscheinungen sein könnten. Zumindest traten die "Anfälle" nicht mehr auf und der Blutdruck ließ sich - vorübergehend - besser einstellen.
Das ging wiederum ca. 3 Wochen gut. Nun traten die Schlafstörungen in immer massiveren Formen auf. Ich konsultierte eine Neurologin zur Frage einer evtl. versteckten Depression. Das durchgeführte EEG kommentierte sie mit den Worten "Etwas chaotisch"! Sie überließ es mir, ein Antidepressivum zu nehmen.
Um die Jahreswende musste ich die Blutdruckmedikation stetig steigern, um noch den gleichen Effekt zu erzielen, bekam aber abends und nachts doch oft keine Ruhe. Ich konsultierte einen uns befreundeten Psychotherapeuten, der mir die Empfehlung gab, doch evtl. eine Therapie zu beginnen. Außerdem musste ich teilweise auf Tabletten zurückgreifen, um überhaupt noch schlafen zu können.
Ich begann mir ernsthafte Gedanken darüber zu machen, wie ich meine Praxis würde weiterbetreiben können; jedenfalls konnte ich mir im Januar 2005 nicht vorstellen, so weiterzuarbeiten zu können, wenn die beschriebenen Symptome sich nicht bald bessern würden. Ich fühlte mich ziemlich am Ende meiner Kräfte und war verzweifelt, hatte ich gar keine Idee, woher diese seltsamen Symptome stammten.
Um diese Zeit fiel meinem Mann ein Artikel in die Hände, der von den hohen Strahlungsemissionen von DECT-Telefonanlagen handelte. Wir hatten im Sommer 2003, also ein Jahr vor Auftreten der ersten Symptome, ein solches Telefon installieren lassen. Unwissend wie wir waren, lag die Basistation im Arbeitszimmer, das neben dem Schlafzimmer liegt (Auskunft des Telekommitarbeiters damals: "Das macht nichts!").

Vielleicht weil ich immer wieder berichtet hatte, wie "frei" ich mich draußen, im Wald, fühlte, und weil auch mir aufgefallen war, dass es mir doch manchmal in diesen zahlreichen schlaflosen Nächten gelang, wenigstens für 2 Stunden Ruhe in einem der Zimmer unserer Kinder zu finden, schlug mein Mann mir vor, doch unsere Zimmer mal auf Hochfrequenzstrahlung messen zu lassen. Das war Anfang Februar 2005. Ehrlich gesagt glaubte ich nicht an einen Zusammenhang, ja wusste bis dahin nicht einmal so genau, wie ein solches Telefon überhaupt funktioniert!
Das Ergebnis: über meinem Bett waren im Hochfrequenzbereich Spitzenwerte um 390 Mikrowatt pro Quadratmeter (von Baubiologen empfohlen sind ca. 5 Mikrowatt pro Quadratmeter als sog. "schwache Anomalie") messbar, im Niederfrequenzbereich ca. 520 V/m (auch hier empfohlen max. 5 V/m).
Dennoch war ich immer noch skeptisch; aber gut, in der Verzweiflung greift man nach jedem Strohhalm. Eine Woche nachdem wir unser Haus mit Netzfreischaltern versorgt und die Telefonanlage ins Erdgeschoss verbannt hatten, hörten die Durchfälle auf. Nach einer weiteren Woche schlief ich zum ersten Mal seit fast einem Jahr einigermaßen gut, ohne öfter aufzuwachen.
Wenn ich diesen "Zustand", den ich nun erleben durfte, beschreiben müsste, ich würde es so tun: als würde eine Last von meiner Seele abfallen: so muss sich jemand fühlen, der von einer schweren Krankheit genesen darf. Eigentlich merkte ich erst jetzt, wie schlecht es mir vorher gegangen war.
Zwei Wochen nach Umstellung der Anlage begann ich, die Blutdruckmedikation auszuschleichen, die ich Ende April habe absetzen können. Langsam und allmählich besserten sich die Angstzustände und traten immer seltener auf. Ganz genesen fühlte ich mich jedoch erst ein Jahr nach der "Telefonumstellung" (inzwischen besitzen wir ein "altes" Schnurtelefon).

Durch Kontakte zum Bund Naturschutz erfuhr ich erstmals vor kurzem, dass es für diese "Krankheit" - die für mich immer noch die "Krankheit ohne Namen" gewesen war - einen Begriff gibt: "Mikrowellensyndrom". Im Nachhinein interpretiere ich die Störungen, die bei mir auftraten, als einen Zusammenbruch sämtlicher vegetativer Funktionen durch langandauernde Stresseinwirkung. Während des ganzen Jahres unter dem Einfluss der Telefonanlage war ich nie in eine Tiefschlafphase gekommen, die dem Körper erst wirkliche Erholung bietet.

Inzwischen sind etliche Fälle bekannt und gesammelt worden mit einer ähnlichen Geschichte, wie ich sie Ihnen jetzt vorgetragen habe. Hätte ein Medikament ein derartiges Nebenwirkungsspektrum, wäre es vermutlich schon lange vom Markt genommen worden! Leider haben wir es bisher in Deutschland nicht geschafft, Grenzwerte zu etablieren oder auf die möglichen Gefahren (z.B. Warnhinweise beim Kauf von Handys oder DECT-Telefonen) hinzuweisen; im Gegenteil: Menschen, die aufgrund dessen erkrankt waren oder sind, oder die lediglich vor den Gefahren warnen, werden allzu oft in die Ecke der Hypochonder oder "Spinner" gestellt. Aber: Es kann jeden treffen!

Ganz nebenbei: Das ganze "Abenteuer" kostete meine Versicherung ca. 5.000 Euro!

Dr. med. S. G.

ausführlicher Bericht als PDF (76 KB)